Die unbekannte Sprache des Schmerzes

05.08.2011 von Alexander Lay

Ein völlig anderer Ansatz in der Schmerztherapie

Es wird Zeit, dass in der Schmerztherapie etwas Grundlegendes geschieht. Realisiert man die aktuellen Zahlen wird klar, dass die momentan zur Anwendung kommenden Verfahren offensichtlich nicht der Situation Herr werden.

Fakten zum Thema Schmerz

In Europa leiden 75 Millionen Menschen an chronischen Schmerzen. In Deutschland sind es 20 Millionen, die chronische oder immer wiederkehrende Schmerzen haben. 15 Millionen davon leiden täglich. Zwei Millionen von ihnen werden als sehr problematisch eingestuft.

3.000 Selbstmorde jährlich (ohne Dunkelziffer) werden von den Betroffenen offensichtlich als der einzige Ausweg gesehen, ihrer Folter ein Ende zu bereiten. Das sind über acht Menschen am Tag!
40 % der Erwachsenen haben akute Rückenschmerzen, und 70 % spüren sie mindestens einmal jährlich. Die Zunahme an wiederkehrenden Rückenschmerzen im Zeitraum von 1998 bis 2006 betrug 30 %, die der pausenlos Gepeinigten nahm sogar um 100 % zu. 10 % der Erwachsenen leiden an Migräne, 30 % an mindestens monatlich auftretenden Kopfschmerzen, und 50 % spüren sie seltener, aber regelmäßig. 25 % der über 55-jährigen haben an den meisten Tagen eines Monats Knieschmerzen. Die Arbeitsunfähigkeitstage wegen Schmerzen sind auf Platz 1 der Krankschreibungs-Hitliste. 25 Milliarden (!) Euro jährlich betragen die Kosten wegen Arbeitsunfähigkeit und Frührente.

Widersprüche in der herkömmlichen Schmerztherapie

Neben diesen Zahlen, die für sich sprechen, gibt es jede Menge kritische Fragen, die gestellt werden müssen und die Indizien dafür sind, dass die heutige Theorie über die Entstehung von Schmerzen und damit die Schmerztherapie in Frage gestellt werden muss.
Warum gibt es Menschen mit Bandscheibenvorfällen, die keine Schmerzen empfinden, und andere, die Schmerzen haben, bei denen aber keine Bandscheibenvorfälle oder andere Schädigungen zu finden sind? „In 90 % der Fälle finden wir keine körperlichen Ursachen für Rückenschmerzen“, so Herr Veihelmann, Präsident der deutschen Gesellschaft für Wirbelsäulentherapie. Mittlerweile gibt es 1,6 Millionen Fibromyalgiekranke. Die Betroffenen haben eine Krankheit, die darin besteht, therapieresistente Schmerzen an mehreren Stellen des Körpers zu haben. Es ist sicher wichtig, all den Patienten, die sich jahrelang anhören mussten, dass sie eigentlich keine Schmerzen haben dürften, da keine Schädigung zu finden sei, endlich eine Diagnose stellen zu können. So fühlen sie sich mit ihren Leiden ernst genommen. Andererseits ist die Zuordnung der Patienten in eine Ausschlussdiagnose aber gleichzeitig eine Bankrotterklärung der modernen Schmerztherapie.

„Das Wichtigste ist, dass der Arzt dem Patienten Klarheit vermittelt: Er leidet an einer Krankheit, die nicht heilbar ist, deren Ursachen unbekannt sind“
Dr. Brückle, Fibromyalgieexperte

Die verzweifelte Suche nach Erklärungen für das Unerklärbare führt zu Theorien, über deren Inhalte man sehr geteilter Meinung sein kann. Das so genannte Schmerzgedächtnis beispielsweise soll erklären, warum Patienten Schmerzen haben, die eigentlich keine haben dürften – zumindest nach der Einschätzung der herrschenden Schmerztherapie. Inzwischen unterscheidet man zwischen „guten Schmerzen“ und „schlechten Schmerzen“. Erstere sind die erklärbaren, letztere die nach heutiger Auffassung sinnlosen.

Ein anderer Ansatz ist, die immer größere Zunahme an Schmerzzuständen mit der zunehmenden subjektiven Schmerzempfindlichkeit der Betroffenen zu erklären. Das bedeutet, dass in Wirklichkeit nicht immer mehr Menschen objektiv größere Schmerzen haben, sondern dass immer mehr Menschen den unveränderten Schmerz nur immer peinigender fühlen. Damit sind wir fast wieder bei der jahrelangen unerträglichen Situation der Menschen, die unerklärbare Schmerzen haben und die dann, auch aus Verlegenheit zum Beispiel der Diagnose Fibromyalgie zugeordnet werden, angelangt.

Widersprüche in der Verschleiß- und Schädigungstheorie

Wenn der Verschleiß von Gelenken mit deren „Kilometerlaufleistung“ zu tun hat, wie kann es dann sein, dass es mittlerweile 25-jährige gibt, die ein künstliches Hüftgelenk benötigen, während 75-jährige gesunde Hüftgelenke haben können? Warum bekommen so genannte „Couch-Potatoes“ Arthrose und Leistungssportler, die sich ungleich mehr bewegen, sind frei davon?
Warum können Menschen eine deutlich sichtbare Arthrose haben, aber keinerlei Schmerz und andere frei von Arthrose sein, aber schlimmste Schmerzen haben? Wie kann Arthrose überhaupt schmerzen, wenn der Knorpel, der doch über keine Schmerzrezeptoren verfügt, noch lange nicht vollständig abgenutzt ist? Wenn Schädigungen die Auslöser für Schmerzen sind, warum gibt es dann Schmerzen ohne Schädigung? Warum können Gelenke schmerzen, die durch künstliche ersetzt sind?

Wenn Schmerzen vor Schädigung warnen sollen, warum wird dann erst gewarnt, wenn die Schädigung schon eingetreten ist?

Wenn Schmerzen warnen, warum wird die Warnung dann durch Schmerzmittel unterdrückt?
Aktuell wird sogar kritisiert, dass Ärzte viel zu zurückhaltend bei der Gabe von opioidhaltigen
Medikamenten sind! Wenn Schmerzen durch langfristig vorhandene Bandscheibenvorfälle, Verkalkungen und Entzündungen ausgelöst werden, wie kann es dann sein, dass diese „Ursachen“ zeitweise sehr starke Schmerzen auslösen und dann tagelang wieder nicht? Ausdrücklich soll hier darauf hingewiesen sein, dass die palliative Medizin, die Notfallmedizin und die Akutversorgung von schwersten Schmerzzuständen Ausnahmen darstellen!

Die unbekannte Funktion der Warnschmerzen

Unter der Annahme, dass die Evolution vollkommen ist, gibt es auf die Frage nach der Funktion von Schmerzen nur eine Antwort: Das Überleben des Individuums oder der Art.

Die meisten der heute auftretenden Schmerzen sind mit der Schmerztherapie nach Liebscher & Bracht innerhalb von 30 Minuten auf einen Restschmerz von 0 bis 30% zu reduzieren oder können sogar vollständig aufgelöst werden, egal ob Schädigungen wie Bandscheibenvorfälle, Arthrose, Verkalkungen oder Entzündungen diagnostiziert sind. Dies ist der Beweis dafür, dass es sich um Warnschmerzen handeln muss, da eine muskuläre Manipulation an den Schädigungen in dieser kurzen Behandlungszeit nichts verändern kann. Warnschmerzen sind aber nur sinnvoll, wenn sie Schädigungen überlebenswichtiger Funktionen vermeiden sollen. Treten sie erst mit der entstehenden Schädigung auf, wäre es zu spät. Schaut man sich an, wo diese massiv reduzierbaren häufigsten Schmerzen auftreten, dann fällt der Bewegungsapparat ins Auge.

Das stimmt mit der Erfahrung überein, dass die Schmerzen durch eine Veränderung der Muskelprogrammierung zu beeinflussen sind. Verfügt man über Wissen in der Mechanik von Bewegungen, ist leicht nachvollziehbar, wie eine durch unser modernes „Sitzleben“, das aus einer gefährlichen Mischung von Bewegungslosigkeit einerseits und häufigem Ausführen identischer Bewegungsmuster andererseits besteht, unsere Muskelfunktion so verändert, dass Knorpel und Bandscheiben stark gefährdet sind. Arthrose und Bandscheibenschäden sind somit immer Folgen dieser so entstehenden falschen Gelenksbelastung.

Die „Kilometerlaufleistung“ und Gebrauchszeit hat nichts mit der Abnutzung zu tun. Wird die Schädigungsgefahr so groß, dass ein dauerhafter Schaden zu befürchten ist, dann projiziert der Körper einen Warnschmerz exakt so, dass die schädigende Bewegung gehemmt wird. Verändert man das falsche Muskelprogramm akut mittels der von Liebscher & Bracht entwickelten Schmerzpunktpressur, entfällt die Schädigungsgefahr im Minuteneffekt und damit der Auslöser des Warnschmerzes.

Deshalb spielt dabei eine eventuell eingetretene Schädigung (Arthrose, Bandscheibenvorfall) nur eine Rolle, wenn der Knorpel schon bis an die Knochenhaut abgenutzt ist oder die Bandscheibe anfängt, ins Rückenmark/Nervengewebe einzudringen, wenn also nach langer Zeit die Schädigung eingetreten ist, vor der lange gewarnt wurde. Diese Fälle sind aber extrem selten. Interessanterweise lässt sich selbst dann, wenn der Knorpel kaum noch vorhanden ist, eine massive Schmerzreduzierung erreichen.

Selbst bei Krebsschmerzen, Prellungen, Zahnschmerzen oder Ohrenschmerzen kann mittels einer Muskelmanipulation eine deutliche Schmerzreduzierung möglich sein.

Der muskuläre Anteil scheint also immer eine Rolle zu spielen.

Unser Verständnis vom Schmerz muss und kann sich nun grundlegend ändern.

Die Wirksamkeit der Schmerztherapie nach Liebscher und Bracht beweist, dass die zu Grunde liegende Theorie der Warnschmerzen, die vor einer Schädigung des Bewegungsapparates durch eine fehlerhafte Muskelfunktion warnen, zutrifft. Es geht immer um die Muskelfunktion und das daraus folgende Schädigungspotenzial!
Damit kann sich unser Verständnis von Schmerz grundlegend ändern und helfen, den in der Schmerztherapie notwendigen Paradigmenwechsel voranzutreiben.

90 Prozent der Schmerzzustände, die bisher unter falschen Voraussetzungen und daher nicht ursächlich behandelt werden konnten, sind Warnschmerzen:

Positive Schmerzen, die Sprache des Körpers, die Gelenke oder Wirbelsäule schädigende Bewegungen zu unterlassen. Je quälender die Schmerzen, desto eindringlicher die Warnung. Nur wer diese Sprache versteht, kann die Ursache gezielt durch die manualtherapeutische Beeinflussung der entsprechenden Muskulatur kurzfristig beseitigen. Da die Schmerztherapie nach Liebscher und Bracht auf einer anderen Wirkebene stattfindet, kann sie gut mit anderen naturheilkundlichen Schmerztherapieansätzen kombiniert werden. Dieser Zusammenhang zwischen Muskelzustand und allen oben beschriebenen Schmerzen erklärt sämtliche Widersprüche und Ungereimtheiten (Schmerz ohne auffindbare Schädigung usw.), die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit von schmerztherapeutischen Ansätzen und der Einfluss verschiedenster Parameter (Klima, Psyche, Umweltbelastungen) wird logisch und nachvollziehbar. Vor allem lässt er keinen Zweifel daran, dass die die Warnung des Körpers unterdrückenden Schmerzmittel geradewegs zur Arthrose oder Bandscheibenschädigung führen können. Aber auch die häufige Vorgehensweise, Muskulatur bei Schmerzzuständen zu kräftigen, um vor allem im Wirbelsäulenbereich zu stabilisieren, entpuppt sich als Sackgasse, die den Zustand eher verschlimmert als verbessert. Die beobachteten zeitweiligen Schmerzlinderungen werden durch die neue Schmerztheorie als Zufallsprodukte entlarvt.

Nach der Akuttherapie mittels Schmerzpunktpressur durch den Therapeuten und anschließenden Sitzungen, die die fehlerhaften Muskelprogramme löschen, werden genaue Anweisungen für Bewegungsübungen, sogenannte Engpassdehnungen nach den Prinzipien des speziell zu diesem Zweck entwickelten LnB Motion gegeben. Dazu kommen den krankhaften und Schmerz verstärkenden Zustand der Muskeln heilende Entgiftungs- und Ernährungsmaßnahmen aus dem LnB Health-Therapiekonzept. Alles zusammen bildet die Schmerztherapie nach Liebscher und Bracht und führt zur dauerhafter Gelenk und Wirbelsäulengesundheit und damit zur Schmerzfreiheit bis ins hohe Alter.

Alexander Lay
Facharzt Innere Medizin / D.O.M.

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